Büro- und Technikgebäude LX.2.2 der ÖBB, A-Wien, Gutachterverfahren 2012

Projektbeschreibung

 

Städtebau:

 

Derausgearbeitete Entwurf folgt dem vorgegebenen städtebaulichen Leitbild, welches für dieses Entwicklungsgebiet Blockrandbebauungen vorsieht. Der neue Baukörper ist allerdings so konzipiert, dass jede Seite des Gebäudes unterschiedlich auf die gegebenen Randbedingungen reagiert:

 

Ostfassade - Die Visitenkarte zur Stadt / Das Fenster zum Hof:

Das Gebäude wird durch zwei nord/süd-orientierte Kerne erschlossen, wobei sich der östliche Erschließungskern von der Fassade absetzt. Diese Maßnahme lässt zwei Höfe mit zwei unterschiedlichen Qualitäten entstehen. Die Ostfassade gibt über eine drei Geschoß hohe Öffnung den Blick frei in das im ersten OG gelegenen Atrium, das Außenraumqualität besitzt (siehe Gebäudetechnikkonzept). Die Lage und Größe dieser „Loggia“ wurde so gewählt, dass eine Balance entsteht zwischen Offenheit und Transparenz („Das Fenster zum Hof“) einerseits bzw. andererseits einer gewissen Distanz und Intimität („Die Stadtvitrine“), da dieser Hofbereich, ebenso wie das gesamte Bürogebäude, nur für interne Nutzung zur Verfügung steht.

Auf Basis der städtebaulichen Rahmenplanung, die eine Erschließungsstraße für Einsatzfahrzeuge zwischen Grundstück und Bahntrasse vorsieht, wurde die LKW-Anlieferung an diese Gebäudeseite verlegt. Durch diese Maßnahme kann der Vorplatz an der Ostseite als urbaner Platz mit verschiedenen Angeboten zum Verweilen ausgebildet werden. Zwei fremdvermietbare Geschäftsflächen im EG neben dem Haupteingang tragen der städtischen Bedeutung dieser Gebäudefront samt ihrem Vorplatz Rechnung. Die Lage der Garageneinfahrt blieb gegenüber dem Strukturkonzept unverändert.

 

Nordfassade

Auf Basis der Entscheidung der Stadt Wien, dass eine maßvoll konzipierte Auskragung über der Baufluchtlinie ab dem zweiten Obergeschoß realisiert werden könnte, werden das 2. – 6. Obergeschoß um 2,70 Meter über einen Teil der Gebäudefront nach außen verschoben um einerseits die Belichtung der im 1.OG hofseitig gelegenen Büroräume zu gewährleisten und um andererseits an der Außenfassade die Gebäudeflucht der westlich anschließenden Blockbebauung aufzunehmen und weiter zu führen. Im Bereich der Einfahrt Ladehof erlaubt die platzartige Erweiterung der Straße eine optimale und störungsfreie Zu- und Abfahrt der LKW´s. Der über die nördliche Grundgrenze auskragende Bauteil entspricht einer bebauten Grundfläche von 170 m². Diese Fläche ist in der statistischen Kennzahlentabelle nicht enthalten.

 

Westfassade:

Durch die Staffelung des Baukörpers an der Westfassade wird der niedrigeren Gebäudehöhe der gegenüber geplanten Blockbebauung Rechnung getragen.

 

Südfassade:

Auf der Südseite bildet das Gebäude mit dem gegenüberliegenden Häuserblock einen urbanen Straßenraum („shared space“). Diese Seite wird stark perspektivisch wahrgenommen und weist daher nur an den beiden Enden kleinere plastische Elemente auf.

 

Zwei Höfe:

 

Das Gebäude wird durch zwei Kerne erschlossen, welche eine Aufteilung der vermietbaren Fläche in acht Teilbereiche ermöglicht. Der östliche Erschließungskern ist von der Fassade abgerückt, wodurch im ersten Obergeschoß ein mit Glas gedeckter Innenhof entsteht und ein Atrium mit Außenraumqualität östlich davon. Diese große Terrasse dient sowohl als Außenraum für den angrenzenden Speisesaal der Kantine, als auch als Pausen- und Aufenthaltsbereich für das ebenfalls angrenzende Schulungs- und Seminarzentrum. Zwei an der Fassade der Kerne befindliche Panoramalifte machen den Freiraum auch vertikal erlebbar.

Der zwischen den beiden Erschließungssystemen gelegene überdachte Innenhof dient sowohl als Begegnungs- bzw. Pausenbereich, als auch als Veranstaltungsfläche im Rahmen von Ausstellungseröffnungen, Seminaren oder sonstige Feiern. Auf Basis des ausgearbeiteten Gebäudetechnikkonzeptes ist er nahezu ganzjährig als Innenraum nutzbar.

 

Blickbeziehungen:

 

Im 1.-3. Geschoß wurde, mit Ausnahme des Ausstellungsbereiches, auf die Anordnung von Funktionsräumen entlang des östlichen Erschließungskernes verzichtet, um eine möglichst transparente Blickbeziehung zwischen öffentlichen Straßenraum (=Gebäudehauptzugang von U-Bahn und Hauptbahnhof), Atrium und glasgedecktem Innenhof herzustellen. Erst ab dem 4.OG sind an der östlichen Stirnseite des Innenhofes Büroräume angeordnet. Verstärkt wird diese „horizontale“ Blickbeziehung durch einen vertikalen Luftraum im Erschließungskern (eigener Brandabschnitt), der eine Blickbeziehung von der Eingangsebene bis ins sechste Geschoß ermöglicht. Er bietet auch Platz für Sekundärstiegen, welche frei in den Luftraum platziert sind und geschoßübergreifende Abteilungen miteinander verbinden können.

 

Flexibilität / Funktionalität:

 

Die vorgeschlagene Lage der Erschließungssysteme gewährleistet eine bestmögliche Variabilität der vermietbaren Flächen (zwei Bürobereiche je Fluchtstiege; acht Bürobereiche pro Geschoß insgesamt). Verbunden werden die beiden Kerne durch Bürotrakte in Ost/West-Richtung, die zweihüftig ausgebildet sind und durch Konstruktion und Trakttiefe eine Vielzahl von Einrichtungsvarianten ermöglichen. Der nördliche Blockrand kragt ab dem zweiten Obergeschoß um ca. 2,70 m nach Norden aus, wobei die dazugehörende Innenhoffassade erst im 4. OG nach außen springt (siehe Querschnitt). Diese Maßnahme schafft im 2. und 3. OG in diesem Bereich Bürotrakttiefen von ca. 15,20 m, die sich gut für die Errichtung von Kombibüroflächen (in Form von Open Space Bürolösungen mit attraktiven Mittelzonen) eignen. Im 4. OG entsteht durch den Rücksprung eine hofseitige Terrasse, die Basis ist für vertikale Begrünungssysteme.

In den Innenecken des Hofes sind windmühlenartig Terrassen angeordnet, die in Verbindung mit den daran anschließenden Teeküchen stehen. Die Terrassenzugänge dienen gleichzeitig als Einströmöffnungen für die Quellluft aus den Büroräumlichkeiten in den Innenhof (siehe Gebäudetechnikkonzept).

Alle Arbeitsplätze werden generell durch Fensterbänder belichtet (Achsraster 1,35 m). Alle Büroräume sind mit Fensterbrüstungen ausgestattet, mit Ausnahme der zum glasgedeckten Innenhof orientierten Räumlichkeiten im 1. bis 3. OG. Auf Grund der nachteiligen Belichtungsverhältnisse in diesen Bereichen sind hier die Zimmer mit raumhohen Verglasungen versehen. Der Brandüberschlag wird mit umlaufenden, schmalen Balkonen gewährleistet, die bei Veranstaltungen im Hof auch als Besuchertribünen verwendet werden können.

 

Pflichtstellplätze:

 

Im vorliegenden Entwurf werden in zwei Untergeschoßen insgesamt 147 Kfz-Stellplätze angeboten (137 PKW- und 10 LKW-Stellplätze). Dies bedeutet bei einer erlaubten Hauptnutzfläche von 80 m² je Stellplatz eine mögliche Hauptnutzfläche von 11.760 m² (bezogen auf das gesamte Gebäude). Da laut Raum- und Funktionsprogramm eine Hauptnutzfläche von 8.892 m² samt zusätzlichen Sozial- und sonstigen Aufenthaltsräumen in der Größe von ca. 1.011 m² vorgegeben werden und der Entwurf diese Kennzahlen einhält, wird diese erlaubte Flächenobergrenze unterschritten. Aus diesem Grund wird auf die Errichtung eines dritten Untergeschoßes, das Platz für zusätzliche 83 Stellplätze bieten würde, verzichtet.

 

Freiflächenangebote/Raumbeziehungen:

 

In allen Bürogeschoßen werden unterschiedliche Außenflächen zur Verfügung gestellt:

6. OG: Eine Dachterrasse im Westen mit ca. 95 m², vier „Windmühlterrassen“ in den Innenecken des Glas gedeckten Innenhofes (jeweils in funktionalen Zusammenhang mit angeschlossenen Sozialräume) und zwei Raucherbalkone im Bereich der WC-Gruppen

5. OG:  Eine Dachterrasse im Westen mit ca. 165 m², vier „Windmühlterrassen“ in den Innenecken des Glas gedeckten Innenhofes (jeweils in funktionalen Zusammenhang mit angeschlossenen Sozialräume) und zwei Raucherbalkone im Bereich der WC-Gruppen

4. OG:  Vier „Windmühlterrassen“ in den Innenecken des Glas gedeckten Innenhofes (jeweils in funktionalen Zusammenhang mit angeschlossenen Sozialräume) samt Pflanzterrasse mit ca. 100 m², zwei Raucherbalkone im Bereich der WC-Gruppen und eine Atriumsterrasse

3. OG:  Zwei „Windmühlterrassen“ in den Innenecken des Glas gedeckten Innenhofes (jeweils in funktionalen Zusammenhang mit angeschlossenen Sozialräume) und zwei Raucherbalkone im Bereich der WC-Gruppen

2.OG:   Zwei „Windmühlterrassen“ in den Innenecken des Glas gedeckten Innenhofes (jeweils in funktionalen Zusammenhang mit angeschlossenen Sozialräume) und zwei Raucherbalkone im Bereich der WC-Gruppen

1. OG:  Die Glas gedeckte Innenhoffläche, ein Raucherbalkon und die Atriumfläche an der Ostfassade

 

Begrünung (Innen, außen):

 

Die Begrünung im und am Gebäude ist ein wesentliches Entwurfselement. Einerseits sollen Pflanzen  sowohl die Arbeitsatmosphäre verbessern und zur Luftbefeuchtung in der Wintersaison beitragen, als auch der Verbesserung der thermische Qualität des Gebäudes dienen (speziell Dachbegrünung lt. Gebäudetechnikkonzept).

Die Hoffläche des glasgedeckten Innenbereiches ist begrünt - drei Bäume, Wasserbecken mit Pflanzen und Fontäne, Begegnungsbereiche mit Sitzgelegenheiten. Auf der Terrasse im 4. OG befinden sich Pflanztröge für Schlingpflanzen, die auf vertikale Rankgerüste bis unter das Glasdach wachsen. Auf der Längsseite des Hofes bilden sie eine Grünkulisse im Raum.

Östlicher Erschließungskern mit vertikalem Luftraum: Die den vertikalen Luftraum begrenzende Außenseite des Fluchtstiegenhauses wird über die gesamte Höhe vertikal begrünt und trägt so zur Luftkonditionierung im Winter bei.

Östliches Atrium (Außenraum): Bepflanzung des Platzes und des Terrassenrücksprunges im 4. OG.

Vorplatz Haupteingang: Schaffung eines urbanen Platzes samt Freiflächenmöblierung und Bepflanzung.

 

Materialien Fassade:

 

Pfosten/Riegelkonstruktion vor betonierten Fensterbrüstungen, gegliedert in horizontale Blechbahnen (Einbrennlackierung mit rauer Oberfläche) unterschiedlicher Breite samt Glaselementen, welche teils transparent (im Bereich des Fensterbandes) und teils untransparent (emaillierte Glaspaneele im Bereich der Fensterparapete) ausgebildet sind.

Die Erdgeschoßfassade besteht an der Ostseite (Bereich Haupteingang und fremd vermietete Flächen) großteils aus Ganzglaselementen. Die restlichen Flächen sind mit einem fixen Streckmetallgitter in der Ebene der Pfosten-/Riegelkonstruktion verkleidet. Sie sind mit der gleichen Beschichtung versehen wie die Blechpaneele der Fassade und bilden optisch mit diesen eine Einheit. Dahinter werden je nach Raumerfordernisse Fensterelemente angeordnet.


Gemeinsam mit Arch. J. Engl